Interview & Porträt
Wie Prof. Dr. Sven Gottschling Cannabis nutzt, um Schmerzen zu lindern, Lebensqualität zu bewahren und Menschen bis zuletzt würdevoll zu begleiten.
Es gibt Räume in Krankenhäusern, in denen das Leben lauter ist als der Tod. Räume, in denen Menschen lachen, obwohl sie wissen, dass ihre Zeit begrenzt ist. Und Räume, in denen Ärztinnen und Ärzte nicht nur medizinisch handeln, sondern menschlich. Genau in einem solchen Raum arbeitet Prof. Dr. Sven Gottschling. Er ist einer der erfahrensten Palliativmediziner Europas und seit fast zwanzig Jahren überzeugt davon, dass Cannabis vielen Patientinnen und Patienten das geben kann, was in dieser Phase ihres Lebens am wertvollsten ist: Lebensqualität.
Gottschling, Chefarzt des Zentrums für Palliativmedizin und Kinderschmerztherapie am Universitätsklinikum des Saarlandes, begleitet jeden Tag Menschen, die schwer krank sind. Menschen, die sterben werden. Und Familien, die Abschied nehmen müssen. Seine Arbeit ist medizinisch anspruchsvoll, aber sie ist vor allem eines: zutiefst menschlich.
Leben bis zuletzt
In seiner Station sterben jede Woche fünf bis acht Menschen. Doch Gottschling und sein Team haben ein Motto, das alles bestimmt: Leben bis zuletzt. Dazu gehört das Lachen auf dem Flur. Ein Bobbycar-Rennen zwischen Kindern und Pflegekräften. Gespräche, die mehr als medizinische Information sind. Und eine Haltung, die den Menschen nie auf eine Diagnose reduziert.
Gottschling weiß, dass die Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit schwer ist. Aber er weiß auch, dass Offenheit und Begleitung Angst nehmen können. Er sagt, dass Sterben nicht bedeuten muss, vorher schon aufgehört zu leben.
Die Rolle der Cannabinoide
Seit dem Jahr 2000 arbeitet Gottschling mit cannabinoidbasierten Arzneimitteln. Zuerst bei krebskranken Kindern, später bei Patientinnen und Patienten jeden Alters. Er setzt sie gegen Übelkeit, Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit und Schmerzen ein. Und die Ergebnisse sprechen für sich.
• weniger Übelkeit bei Chemotherapien
• mehr Appetit bei stark geschwächten Patientinnen und Patienten
• bessere Schlafqualität
• weniger depressive Stimmung
• mehr Orientierung und Präsenz
• weniger Nebenwirkungen im Vergleich zu Opiaten
Dass Cannabis dabei nicht nur wirkt, sondern auch langfristig verträglich bleibt, ist für ihn entscheidend. Es gibt kaum ein anderes Medikament, das so vielseitig einsetzbar ist, ohne Organe zu schädigen oder Toleranzen zu entwickeln.
Zudem haben Cannabinoide ein besonderes Sicherheitsprofil. Es gibt keine Rezeptoren im Atemzentrum, keine im Kreislaufzentrum. Eine tödliche Überdosierung ist biologisch praktisch unmöglich.
Eine Sprechstunde für Menschen aus ganz Europa
Zweimal pro Woche bietet Gottschling eine Cannabis-Spezialsprechstunde an. Menschen reisen aus Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Österreich, Südtirol und der Schweiz an. Viele haben lange Wege hinter sich. Viele wurden abgewiesen, nicht verstanden oder nicht ernst genommen. Bei ihm finden sie zum ersten Mal Verständnis, Erfahrung und klare Antworten.
Kinder, die wieder essen. Erwachsene, die wieder schlafen. Menschen, die wieder sie selbst sind.
Gottschling berichtet von Kindern, deren epileptische Anfälle sich drastisch reduzieren. Von Patientinnen und Patienten, die endlich wieder durchschlafen können. Von schwer kranken Menschen, die wieder lachen. Essen. Kräfte sammeln. Noch einmal am Leben teilnehmen.
Cannabinoide lösen keine schweren Krankheiten. Doch sie ermöglichen etwas anderes. Sie geben Würde zurück. Sie lindern Leiden. Sie öffnen einen Raum für letzte Gespräche, für Momente, die bleiben.
Ein Arzt, der keine Angst vor neuen Wegen hat
Gottschling ist kein Ideologe. Er ist ein Arzt, der nüchtern abwägt und klar handelt. Aber er ist auch jemand, der sieht, wenn Menschen unnötig leiden. Und wenn ein pflanzliches Medikament helfen kann, ist für ihn klar, dass es genutzt werden sollte.
Cannabis ist für ihn kein politisches Symbol. Es ist ein Werkzeug. Ein medizinisches Instrument. Ein Baustein für Lebensqualität.
Was bleibt
Der Artikel des Lebens endet irgendwann. Doch Gottschling zeigt in seiner Arbeit, dass es darauf ankommt, wie die letzten Seiten geschrieben sind. Ob in Schmerz und Angst. Oder in Ruhe. Würde. Nähe.
Er erinnert uns daran, dass Sterben dazugehört. Aber dass Leben davor unbedingt gelebt werden darf.
Cannabis ist für viele seiner Patientinnen und Patienten ein kleines Stück dieses Lebens. Und manchmal ein sehr großes.
Im Video erfahrt ihr
• wie Cannabis in der Palliativmedizin eingesetzt wird
• warum es eine sichere und verträgliche Therapie ist
• wie Menschen damit weniger Opiate benötigen
• welche Erfahrungen Gottschling mit über 500 behandelten Kindern gesammelt hat
• warum Cannabinoide oft mehr Lebensqualität ermöglichen als herkömmliche Schmerzmittel
Im Alter nimmt das Zwicken und Zwacken, dass manche Menschen schon ihr ganzes Leben begleitet, in der Regel noch zu. Cannabis kann den Alltag damit erträglicher machen. Wenn Ärzte nicht helfen wollen, nehmen rüstige Rentner wie Frau Biesel die Versorgung selbst in die Hand. Mit Feinwaage aus dem Internet und selbstgebackenen Keksen.
Ich habe in den vergangenen Jahren selbst gesehen, wie tiefgreifend Cannabis das Leben schwerkranker Menschen verändern kann. Besonders an meinen Reisen nach Israel im Jahr 2019 erinnere ich mich bis heute. Dort konnte ich live beobachten, wie ältere Patientinnen und Patienten, die jahrelang auf Opiate angewiesen waren, durch Cannabinoide spürbare Entlastung fanden. Die Nebenwirkungen nahmen ab, die Klarheit kehrte zurück und viele brauchten deutlich weniger Opiate. Ärztinnen erklärten mir damals, dass Cannabinoide durch ihren Entourage Effekt oft ermöglichen, die Schmerzmittel zu reduzieren, ohne dass die Schmerzen stärker werden.
Diese Erlebnisse haben mir gezeigt, dass Cannabis kein letzter Ausweg ist, sondern eine echte medizinische Option. Eine Option, die Schmerzen lindern, Würde bewahren und Lebensqualität zurückbringen kann.
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